WordPress: Alles Blöcke oder was? – Ein Bloggespräch mit Peter Müller

Vor bald fünfzehn Jahren habe ich HTML und CSS mit seinem damaligen Videotraining gelernt, ein paar Jahre später begleitete mein damaliges Buch seinen Einstieg bei Facebook und wir lernten uns, zunächst nur digital, dann auch analog, kennen und stellten fest, dass wir sehr ähnlich ticken. Und so fragte Peter mich bald darauf, ob ich nicht seine Einführung in WordPress als Fachlektorin begleiten wolle. Ich wollte und tue es auch weiterhin. Seitdem fachsimpeln wir beinahe täglich und tüfteln an Praxisfragen. Aktuell experimentieren wir mit den Möglichkeiten, die WordPress mit dem Block-Editor bereits bietet und was da noch weiter in Projekt Gutenberg geplant ist. Warum also nicht unser Gespräch auch mal ein Stück auf diese Weise führen und andere daran teilhaben lassen? Auf geht‘s:

Annette Schwindt

Gerade hast Du darüber gebloggt, was Gutenberg nun wirklich ist und was nicht. Kurz davor habe ich zusammengestellt, warum sich in WordPress künftig alles um Blöcke dreht. Währenddessen diskutieren wir mögliche Updates für die nächste Ausgabe „unserer“ WordPress-Einführung und testen Plugins. Uns wird nicht langweilig, oder?

Prinzip Legosteine

Peter Müller

Das kann man wohl sagen. Vor inzwischen etwas über vier Jahren, im Dezember 2016, hat Matt Mullenweg auf seiner alljährlichen State of the Word Rede das Projekt Gutenberg zur Rundumerneuerung von WordPress angekündigt. Inhalte auf Webseiten sollten fortan in Blöcken stehen, die man wie Legosteine zu einem Layout zusammensetzen kann.

Das Projekt lief aber zunächst nicht wirklich rund und eine Verzögerung folgte der nächsten, sodass die erste Version des Block-Editors erst zwei Jahre später, im Dezember 2018, in WordPress 5.0 erschien. 

Und das Ding war trotz der zweijährigen Entwicklungszeit alles andere als ausgereift. Der erste Eindruck war damals bei vielen Nutzern nicht unbedingt von Enthusiasmus geprägt, um es mal vorsichtig auszudrücken. 

Inzwischen sind weitere zwei Jahre ins Land gezogen, der Block-Editor wird mit jeder WordPress-Version besser und immer mehr Nutzer freunden sich damit an. Ich nutze ihn inzwischen auf allen meinen Websites, und soweit ich weiß geht dir das genauso. 

Gibt es irgendwas, was dir am Block-Editor besonders ge- oder missfällt? Nutzt du ihn out of the box? Oder hast du bestimmte Lieblingseinstellungen?

Wie ein Kind im Süßwarenladen

Annette Schwindt

Ja, ich benutze ihn auch auf allen meinen Websites und denen, die ich betreue und neu baue. Kürzlich hat mich ein Bekannter um Hilfe mit seiner bestehenden Website gebeten, in der noch der Classic Editor lief. Da habe ich wieder gemerkt, wie sehr der Block-Editor gerade das Layouten von Text erleichtert: Mit einem Klick ist ein Absatz farblich hinterlegt, oder ein Spaltenlayout umgesetzt. Ich konnte den Bekannten zum Glück überzeugen, auf den Block-Editor umzustellen, und wenige Minuten später war ich fertig. Er war völlig verblüfft, wie schnell und einfach das plötzlich ging. 🙂

Eine andere Sache, die ich deswegen jetzt viel öfter nutze, ist das Anker-Setzen. Also eine Marke am Beginn einer neuen Sinneinheit innerhalb eines längeren Beitrags setzen, zu der man mit dem passenden Link direkt springen kann (zum Beispiel hier). 

Sehr praktisch sind auch die Verschiebbarkeit von Blöcken, das Duplizieren und das Abspeichern zum Wiederverwenden (z.B. für meinen Infokasten am Ende von Bloggesprächen) und – dank Dir frisch entdeckt – das Fixieren des Kontextmenüs im Kopf. 

Ich bin allerdings noch insofern in der alten WordPress-Denkweise verhaftet, dass ich vorgefertigte komplexere Vorlagen (also fertige Layoutmodule, die aus mehreren Blöcken zusammengestellt sind) bisher noch nicht so oft nutze, weil ich erst dran denke, wenn ich sie schon selbst gebaut habe. Die sind ja auch nicht Teil des Core-Editors, sondern von Themes oder dazugehörigen Block-Sammlungen. Da suche ich dann auch öfter mal was aus Twentig in GenerateBlocks oder umgekehrt. Aber ich bin weit davon entfernt, schon alles zu nutzen, was möglich ist. Sitze noch baff davor wie ein Kind im Süßwarenladen.

Wie ist das bei Dir? Welche Funktionen magst Du besonders und gibt es überhaupt etwas aus dem Classic-Editor, das Du vermisst?

Tipps und Tricks

Peter Müller

Nee, den Classic Editor vermisse ich echt nicht, denn auch beim Schreiben ist der Block-Editor inzwischen wirklich gut. 

Drei Dinge finde ich dabei besonders hilfreich (siehe Tipps zum schnellen Schreiben im Block-Editor): 

  • Einen leeren Absatzblock kann man mit Schrägstrich plus Blockname in einen beliebigen anderen Block verwandeln, z. B. mit /mehr in einen Mehr-Block. 
  • Überschriften, Listen und Zitate erstelle ich durchgehend mit leicht zu merkenden Markdown-Kürzeln. 
  • Um mich schnell im Dokument zu bewegen, nutze ich den Auswahlmodus mit ESC und Pfeiltasten. Zum Bearbeiten des gerade markierten Blocks einfach Enter drücken. ESC und Enter. 

Einzig das Markieren von Text per Tastatur ging im Classic Editor etwas flüssiger von der Hand. Ich nutze dazu wie in Word die Tastatur, also die Pfeiltasten in Kombination mit Umschalt, option/alt und cmd/strg. Im Block-Editor ist das innerhalb eines Blocks okay, aber man kann z. B. nicht blockübergreifend einzelne Worte aus verschiedenen Blöcken markieren. Das ist aber auch schon das Einzige, glaube ich. Alles andere finde ich im Block-Editor besser.

Jenseits vom Schreiben gibt es im Block-Editor bei der Gestaltung der Inhalte natürlich tolle Möglichkeiten, und damit meine ich sowohl kombinierte Blöcke wie Cover oder Medien und Text als auch verschachtelte Konstruktionen mit Blöcken wie Gruppe und Spalten

Dabei spielen dann auch die von dir bereits erwähnten fertigen Block-Vorlagen aus der Block-Bibliothek eine Rolle. Die gibt es ja erst seit August 2020, aber sie entwickeln sich zu einem Game-Changer, wie man das neudeutsch so schön nennt. 

Immer mehr Themes und Blocksammlungen nutzen Block- und auch Seitenvorlagen. Diese Vorlagen erleichtern das Gestalten um einiges, zumal man sie seit WordPress 5.7 mit der Maus per Drag and Drop aus der Block-Bibliothek in das Dokument ziehen kann. Da kommt fast schon ein Pagebuilder-Gefühl auf. 

Du hast vorhin was von Twentig und GenerateBlocks erzählt und dass du damit arbeitest. Was gefällt dir denn daran besonders gut? 

Lieblingsthemes und passende Plugins

Annette Schwindt

Twentig hat ein paar styles, die ich mir sonst immer erst als CSS-Klassen selbst bauen musste, z.B. Schatten für hervorgehobene Textabschnitte oder eine „subtle border“ für Bilder. Vor allem aber verschiedene Variationen von Text mit Bild/Bildern und eine große Vorlagen-Bibliothek, die ich noch gar nicht komplett durchgeschaut habe. Ich muss mich wie gesagt erst daran gewöhnen, dass ich nicht mehr alles selbst zusammenbauen muss, wenn ich das benutze.

Generate Blocks ist hingegen zum selbst Bauen die perfekte Spielwiese, v.a. in Kombination mit  Generate Press Premium bleiben da für denjenigen, der gerne selbst baut, keine Wünsche mehr offen.  Aber auch da bin ich noch weit davon entfernt, alle Möglichkeiten zu überblicken. In der Premiumversion von Generate Blocks sollen ja auch Vorlagen inklusive sein. Bisher hab ich die aber noch nicht gebraucht. Ich fokussiere mehr auf den Inhalt als auf das Design.

Worauf ich als nächstes gespannt bin, ist Eksell, das neueste Theme meines Lieblings-Themedesigners Anders Norén, von dem ja auch Twenty Twenty stammt. Ach, ich hab gar nicht so viel Zeit Dinge auszuprobieren wie ich möchte… 

Was passiert eigentlich, wenn ich mein Theme wechsle und das Plugin, aus dem die für die Website verwendeten Vorlagen stammen dazu? Oder kann ich themebezogene Plugins einfach weiterverwenden, selbst wenn ich das Theme wechsle (also z.B. Twentig statt mit TwentyTwenty mit Eksell)?

Umziehen leicht gemacht

Peter Müller

Theoretisch kannst du die Plugins einfach weiterverwenden, aber was genau passiert lässt sich schlecht vorhersagen. 

Twentig zum Beispiel ist ja, wie der Name andeutet, speziell für die Standardthemes Twenty Twenty und Twenty Twenty-One gemacht, und das CSS für Blöcke und Vorlagen wurde optimal auf diese Themes abgestimmt. 

Mit einem anderen Theme wird man beim CSS also ziemlich sicher nachbessern müssen. Auch die Optionen im Customizer sind auf die Twenty-Twenty-Themes abgestimmt und funktionieren eventuell nicht mehr reibungslos. 

Twentig nutzt aber ja nur die Standardblöcke von WordPress und somit werden die Inhalte immer vorhanden sein, selbst wenn man das Plugin komplett deaktiviert. 

Mit einem Plugin wie »Backup Migration« könnte man das in wenigen Minuten einfach ausprobieren: 

  • Plugin installieren, Backup machen und die URL zum Backup-ZIP kopieren. 
  • In einer frischen WordPress-Installation das Plugin installieren und die oben kopierte URL zum Backup-ZIP einfügen. 

Fertig. »Backup Migration« holt das Backup vom alten Webspace, installiert es und passt die Pfadangaben von WordPress automatisch an. So hat man echt in wenigen Minuten eine funktionierende Kopie der eigenen Website. Ideal zum Ausprobieren und Testen. Jedenfalls solange die Website kleiner als 1Gb ist. Das ist in der kostenlosen Version das Limit. 

Aber zurück zu den Blöcken. Das von dir erwähnte neue Anders-Noren-Theme Eksell zeigt, was man heute mit dem Block-Editor machen kann, aber in seinem Release-Beitrag »Introducing Eksell« erwähnt Anders Norén bereits das nächste Thema, dass dafür sorgen wird, dass uns nicht langweilig wird: Full Site Editing aka Gutenberg Phase 2.

Ich musste beim Lesen gerade an einen alten Song denken: »Keine Atempause. Geschichte wird gemacht. Es geht voran.« Manchmal sind all die Veränderungen in der wunderbaren Welt der WordPress-Blöcke ein bisschen überwältigend. Ich würde mir ehrlich gesagt wünschen, dass das Team in Ruhe den Block-Editor weiter reifen lässt. Geht dir das auch so?  

Wie Pagebuilder – nur schneller

Annette Schwindt

Ja, definitiv. Und wir sind professionelle Nutzer, uns macht das Spaß. Wie überwältigend muss es dann erst für einen normalen Nutzer sein? Es ist ja immer so, dass bei Änderungen erst mal laut „Dagegen!“ gebrüllt wird. Nicht nur bei WordPress. Und seien wir ehrlich: Als mit WordPress 5 die erste offizielle Version des Block-Editors kam, haben wir auch nicht laut Hurra geschrien. Die war ja auch nicht wirklich zu gebrauchen. Aber inzwischen hat sich einiges getan und der Stand jetzt ist ja schon genial.

Was ich zum Beispiel großartig finde, ist die Verwendung von Blöcken im Inhaltsbereich, deren Inhalt es (für Nichtcoder) früher nur als Widgets gab. Zum Beispiel „Neueste Beiträge“, allgemein, oder nach Kategorie geordnet, die sich automatisch selbst aktualisieren. So habe ich mir zum Beispiel gerade eine individuelle Startseite für diese Website gebaut. 

Inzwischen zeigt sich doch deutlich, wo WordPress mit Projekt Gutenberg hin will. Bereits jetzt sind mit dem Block-Editor gemachte Websites um einiges schlanker und schneller als mit Pagebuildern gebaute. Und das ist kein unwichtiges Kriterium für die Qualität einer Website. Wie viel besser wird das erst mit Full-Site-Editing werden?

Deshalb finde ich es bedenklich, wenn Leute, die WordPress-Kurse geben, oder WordPress-Dienstleistungen anbieten, verbreiten, der Block-Editor tauge nichts und man müsse weiter auf alte Pagebuilder etc. setzen. Da haben wohl viele Angst um ihr Geschäftsmodell, mit dem sie über sogenannte „individuelle Lösungen“ ihre Kunden an sich gebunden haben. Da haben wir ja nun schon mehrere Fälle gesehen, bis hin zu Sites, denen man förmlich beim Laden zuschauen kann, die vom Besitzer nicht mal inhaltlich selbst gepflegt werden können, aber richtig teuer waren. Was denkst Du darüber?

Die Zukunft wird es zeigen

Peter Müller

Menschen sind Gewohnheitstiere, und Widerstand gegen Veränderungen aller Art sieht man auch im Webdesign. 

Besonders bei einem grundlegenden Paradigmenwechsel wie von HTML-Tabellenlayouts zu float-basierten CSS-Layouts oder in den letzten Jahren dann von Floats zu Flexbox und Grid ist dieser Widerstand groß. »Warum soll ich das ändern?«, fragen sich viele. »Ist doch gut so wie es ist.« Aber auf Dauer setzt sich eine sinnvolle Neuerung durch. Buchstäblich niemand erstellt heute noch Tabellenlayouts. 

Das ist auch in WordPress so. Pagebuilder und individuelle Lösungen auf der Basis von Custom Fields haben jahrelang die Lücke gefüllt, die der Classic Editor hinterlassen hat. 

WordPress hat sich entschieden, nicht einfach einen Pagebuilder wie Elementor zu integrieren, sondern sich selbst neu zu erfinden und das gesamte System komplett umzukrempeln. 

Wer mit seinem Pagebuilder zufrieden ist, wird sich vielleicht fragen, warum er etwas ändern soll. »Ist doch gut so wie es ist.« Aber ich würde mal behaupten, dass in ein paar Jahren buchstäblich niemand mehr WordPress-Layouts ohne Blöcke erstellt. 

Als Katalysator entpuppt sich dabei momentan Google: 

  • Du hast ja schon erwähnt, dass mit dem Block-Editor erstellte Layouts oft schlanker sind und somit schneller geladen werden als Pagebuilder-Layouts. 
  • Google wird ab Mai 2021 die Performance von Webseiten beim Ranking der Suchergebnisse deutlich mehr berücksichtigen. 

Dazu misst Google für Webseiten die sogenannten Core Web Vitals, und das Ergebnis wird beim Ranking berücksichtigt. Eine schnelle Webseite hat also bessere Chancen als eine langsame. Performance ist SEO. 

Und das hat Folgen. So hat ein Influencer wie Adam von WPCrafter.com, der seit vielen Jahren bekennender Pagebuilder-Fan ist, seinen gute 200.000 YouTube-Followern letztens erklärt, dass er Core Web Vitals alle seine Websites von Elementor auf den Block-Editor umstellt: »I am leaving page builders and going Gutenberg only«. 

WordPress ist mitten in einem grundlegenden Wandel, und momentan sind Pagebuilder, Custom Fields oder Classic Editor manchmal noch die richtige Antwort auf Layoutfragen. Auf Dauer wird in WordPress aber wahrscheinlich der Satz gelten »Alles Blöcke oder was?«.

Annette Schwindt

Davon bin ich überzeugt. Ich erinnere mich noch gut daran, welchen Aufschrei es jedesmal bei größeren Facebook-Änderungen gab und die waren weniger umfassend als das, was bei WordPress gerade passiert. So langsam sollte man doch aber mal verstanden haben, dass sich die Technik und damit auch die Werkzeuge digitaler Kommunikation ständig weiterentwickeln. 

Danke, dass ich diese Entwicklung mit Dir zusammen beobachten und austesten darf. Ich freue mich auch schon auf die Zusammenarbeit an der nächsten Auflage der WordPress-Einführung! Und Danke natürlich auch für dieses Gespräch! 

Über meinen Gesprächspartner

Peter Müller

Peter Müller ist seit Mitte der 90er im Web unterwegs und Autor von Fachbüchern zu verschiedenen Webthemen. WordPress kennt er bereits seit es 2003 der offizielle Nachfolger von b2/cafelog wurde. Seit 2015 schreibt er für den Rheinwerk-Verlag das Buch »Einstieg in WordPress«, das seine Leser auf Ihrem Weg zur Website begleitet und eine der beliebtesten deutschsprachigen Einführungen in WordPress ist. – pmueller.de 

Alle Peter-bezogenen Beiträge samt einem Gastartikel von ihm ansehen
Foto von Peter Müller: privat
Avatar von Annette Schwindt: tutticonfetti

In meiner Rubrik „Bloggespräche“ unterhalte ich mich mit einem Gegenüber über ein frei gewähltes Thema wie in einem Mini-Briefwechsel. Wer auch mal so ein Gespräch mit mir führen möchte, findet alle nötigen Infos dazu unter https://www.annetteschwindt.de/bloggespraeche/ und kann sich von dort direkt bei mir melden.


Disclaimer: Ich wurde für diesen Artikel nicht bezahlt und wurde weder von meinem Gesprächspartner noch von Dritten dazu aufgefordert, ihn zu veröffentlichen, oder ein Produkt zu nennen. Wenn ich hier im Blog jemanden oder etwas empfehle, dann weil ich einen Bezug dazu habe, den ich auch transparent mache. Ich veröffentliche grundsätzlich keine bezahlten Beiträge.


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