Twitter als Meilenstein – Interview mit Benedikt Köhler zu #meinweginsweb

Es gibt Leute, die lese ich schon fast so lange, wie ich mich im Social Web bewege. Mein heutiger Interviewpartner ist einer davon und ich muss immer erst kurz überlegen, wie sein richtiger Name lautet, da er in meinem Kopf unter seinem Twitternamen abgespeichert ist. 😉 Zusammen mit Sabria David und Jörg Blumtritt, die beide schon in dieser Reihe zu Wort gekommen sind, ht er das Slow Media Manifest verfasst: Furu… Nein! Benedikt Köhler. 🙂

Benedikt Köhler1. Bitte stelle Dich kurz vor (Name, Ort, Tätigkeit, Website, Facebook, Twitter, Google+, drei Hashtags)

Benedikt Köhler aus München, Gründer und Geschäftsführer der Datenanalyse und -visualisierungsfirma DataLion. Vorher Soziologe, Forscher, Lecturer.

Meine drei Tags sind: #datascience #slowmedia #internet

Auf Twitter bin ich @furukama. Meine Blogs sind hier zu finden: http://beautifuldata.net, http://kuirejo.net, http://blog.metaroll.de.

2. Seit wann bist Du online unterwegs, wann hast Du angefangen zu bloggen und wann bist Du dem ersten sozialen Netzwerk beigetreten? Wie bist Du dazu gekommen?

Meine ersten Onlineerlebnisse hatte ich noch auf dem Commodore 64, den mir meine Eltern geschenkt hatten, als ich in die 5. Klasse gekommen bin. Der Deal war natürlich – wie bei so vielen Kids damals -, dass das Gerät nicht nur für Computerspiele genutzt wird, sondern auch um damit zu „arbeiten“. Jedenfalls insofern 12jährige überhaupt einen Begriff davon haben, was „arbeiten“ bedeutet. Für mich hieß das: Code schreiben, seitenlange BASIC- und später Assembler-Programme, die zum Beispiel Musik abspielten oder Sprache ausgeben konnten. Ernest Cline hat in seinem Buch Ready Player One diese Zeit und das Lebensgefühl sehr gut beschrieben: es war vermutlich das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass eine Generation der Kinder blitzschnell lernte, mit einer völlig neuen Technologie umzugehen, die ihre Eltern überhaupt noch nicht begriffen haben. Meine Eltern waren regelmäßig verblüfft, was man mit dem Brotkasten alles anstellen konnte.

Das Internet hat sich damals eher „eingeschlichen“. Es war eine von mehreren lustigen Dingen, die man mit einem Computer tun konnte: Dateien verschicken, Nachrichten lesen. Aber doch ziemlich aufwändig und teuer wegen der Telefongebühren. Spannend ist daran im Rückblick vor allem, dass man das Internet gehört und gefühlt hat. Man hat genau gemerkt, ob und wann man online war. Heute leben wir in einem Zeitalter, das man sehr gut als „post-Internet“ bezeichnen kann. Das Internet ist überall, wie Luft, so dass man es gar nicht mehr merkt, dass man online ist. Im Gegenteil! Heute merkt man nur noch, wenn man offline ist – entweder erzwungenermaßen oder als bewusstes „Internetfasten“ wie es in der Slow Media-Bewegung vorkommt.

Mein erstes Netzwerk war das Usenet, vor allem Gruppen, in denen man sich Ende der 1990er Jahre mit anderen Web-Entwicklern ausgetauscht hatte. Gebloggt habe ich dann vor allem über Musik auf meinem Blog POPLOG, da ich zu der Zeit auch für Musikzeitschriften wie Spex, testcard etc. geschrieben habe.

3. Gab es Menschen, die Dich persönlich oder durch Ihre Veröffentlichungen bei Deinem Einstieg ins Social Web begleitet haben?

Eine Person, die mich auf die Idee gebracht hat, mich mit dem ganzen Thema Internet auf wissenschaftlich auseinanderzusetzen, war Jan Schmidt, der damals an der Uni Bamberg in Deutschland die „Blogforschung“ erfunden hat. Das war ein Thema, mit dem ich mich dann viele Jahre intensiv beschäftigt habe von dem Programmieren von Anwendungen wie der Metaroll, einer automatischen Empfehlungsmaschine für Blog-Leseempfehlungen, über die Suche nach dem ältesten Blog Deutschlands bis hin zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft Social Media. Mit letzterer hatten wir den Versuch unternommen, Blogs als anerkannte Mediagattung in Deutschland zu etablieren. Wir hatten es damals nicht ganz geschafft. Die Social Networks, mit denen wir arbeiteten, gibt es heute nicht mehr. Erst mit Youtube hat sich ein – zumindest für einige Teilnehmer – ertragreiches Ökosystem entwickelt. Youtuber sind heute das, was Blogger damals waren, nur besser bezahlt.

Andere Personen, die mich auf dem Weg ins Netz stark beeinflusst haben, sind: Marshall McLuhan, Timothy O’Reilly, Neal Stephenson, William Gibson.

4. Wie hat sich Dein Weg in Sachen digitale Kommunikation dann bis heute weiterentwickelt (nenne die wichtigsten Meilensteine)?

Ein wichtiger Meilenstein war für mich 2007, als ich mit Haut und Haaren Twitter verfallen bin. Mir war sofort klar, dass sich damit die Kommunikationslandschaft vollkommen verändern wird. Das habe ich dann auch immer wieder in Vorträgen vor (meistens) völlig verdutzten Wissenschaftlern, Marktforschern oder Managern demonstriert. Besonders lustig war ein Vortrag 2008, in dem ich gezeigt hatte, wie man mit Twitteranalysen die unterschiedlichen Assoziationen und Bedeutungssphären von Rebsorten wie Chardonnay und Riesling erforschen kann. Meine These war damals, dass Twitter die Marktforschung komplett umkrempeln wird und man kaum noch andere Datenquellen benötigt. Auf einem der Charts, das ich noch gefunden habe, argumentiere ich mit der Größe des Social Networks: Twitter hatte damals gerade einmal eine Million Nutzer weltweit.

5. Gibt es Fehler, die Du auf Deinem Weg gemacht hast und wie können andere diese vermeiden?

Social Media ist ein großartiges Medium, um Fehler zu machen, die keine große Tragweite haben. Jeder sollte sich hier selbst ausprobieren und lernen.

6. Welche Wege empfiehlst Du Einsteigern oder denen, die sich in Sachen digitale Kommunikation fortbilden wollen?

Am meisten lernt man, wenn man den heute 10-12jährigen zusieht, wie sie im Web kommunizieren, welche Anwendungen sie für welche Zwecke benutzen und wie sie ihr Sozialleben über unterschiedliche Kanäle hinweg ausbreiten. Das ist besser als jeder Workshop oder jede Schulung.

7. Welches ist Dein bevorzugtes soziales Netzwerk und warum?

Wie schon erwähnt Twitter. Dort bin ich zu Hause – lustigerweise hatte mein allererster Tweet den Text „going home“.

8. Welche aktuellen Entwicklungen in der digitalen Kommunikation findest Du besonders spannend?

Zwei Entwicklungen finde ich besonders interessant: Erstens Tools, mit denen man den „Datalayer“ visualisieren kann, der sich heute über unseren Alltag gelegt hat. Klout war ein sehr frühes und noch sehr unvollkommenes Tool hierfür. Ich bin sicher, dass sich auf diesem Bereich noch sehr viel tun wird. Zweitens das zunehmende Eindringen von künstlicher Intelligenz in unsere Medien- und Kommunikationslandschaft. Es gibt schon die ersten Anwendungen, die einem Emails vorformulieren, in dem sie das Kommunikationsverhalten des Email-Empfängers analysieren und dann bestimmte Stilmittel und Floskeln vorschlagen.

Vielen Dank für das Interview, Benedikt! 🙂

Nächstes Mal wird Johannes Korten mei Interviewpartner sein.
Alle Interviews dieser Reihe können nachgelesen werden unter
http://www.annetteschwindt.de/tag/meinweginsweb.


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